Menschliches Sehen und Fotografie

Grundlage jeder Fotografie ist das menschliche Sehen, da man ja fotografisch das wiedergeben möchte, was man sehen kann. Will man daher die Fotografie verstehen, sollte man sich zunächst mit den Eigenschaften des menschlichen Auges vertraut machen. Im Gegensatz zu einer Kamera, die ein fest begrenztes Bildfeld mit konstanter Auflösung besitzt, arbeitet das Auge prinzipiell anders. Das Auge verfügt über ein Zentrum des scharfen bewussten Sehens und einen deutlich größeren Bereich mit verringerter Auflösung und unbewusstem Sehen (z.B. Reaktion auf Bewegung/Gefahr).

Das gesamte Sichtfeld des Auges beträgt ca. 170°, der Bereich des scharfen, bewussten Sehens ist jedoch mit ungefähr 50°x40° begrenzt. Die Auflösung des Auges beträgt ca. 1 Winkelminute, so das die Bildgröße des bewussten scharfen Sehens ca. 3000×2400 Bildpunkte, also äquivalent lediglich rund 7,2 Megapixel beträgt.

Selbst mit einer älteren Kamera, mit vielleicht nur rund 12 Megapixel, liegt man daher in der Auflösung schon deutlich höher und kann daher auch deren Bilder wandfüllend vergrößern, wenn man sich diese dann aus einem entsprechenden Abstand im Ganzen betrachtet. Drückt man sich am Bild jedoch die Nase platt, wird man natürlich einzelne Pixel erkennen können. Weiter Beispiele, ein typischer PC-Monitor hat zwischen 2-8 Megapixel Auflösung, ein 4K Fernseher ebenfalls rund 8,8 Megapixel.

Der Blickwinkels des Auges entspricht in etwa dem Bildwinkel einer früheren Kleinbildkamera (36x24mm Filmgröße) oder heutiger Vollformat-Kamera mit 50mm Brennweite. Daher kommt dann auch die Bezeichnung für 50mm Objektive als ‚Normalobjektiv‘, da deren Bildwinkel dem des menschlichen Auges nahe kommt und diese Bilder dann als natürlich empfunden werden, da deren Perspektive mit der des menschlichen Auges übereinstimmt.

Ein kürzere Brennweite wird als Weitwinkel bezeichnet, hier wird dann nicht nur ein größerer Bildbereich erfasst, vielmehr gaukelt die andere Perspektive dem Auge mehr Raum und größere Abstände von Vorder- zu Hintergrund vor. Umgekehrt bei einem Teleobjektiv, hier werden in der Tiefe gestaffelte Objekte virtuell näher zusammen geschoben.

Die Hauptanwendung von Weitwinkel- und Teleobjektiven sollte daher nicht in der Bequemlichkeit für den Fotografen liegen, den optimalen Abstand vom Motiv nicht mit den Füßen ‚erlaufen‘ zu müssen, sondern der Erzeugung unterschiedlicher Bildwirkungen dienen. Ausgenommen davon sind natürlich Dinge wie die Sport- oder Tierfotografie, wo ein hoher Abstand vom Motiv situationsbedingt vorgegeben ist.

Die Angabe und Einstufung eines Objektives ist jedoch nicht alleine durch Angabe der Brennweite möglich, vielmehr ergibt sich der Bild-Winkel eines Objektives aus Brennweite in Verhältnis zur Sensorgröße. Will man hier die Abbildungswerte verschiedener Objektive für unterschiedliche Kamerasysteme vergleichen, hat sich in der Praxis der Crop-Faktor eingebürgert mit dem die Objektiv-Brennweiten verschiedener Systeme verglichen werden können.
– Vollformatsensor: Crop Faktor = 1
– APSC-Format: Crop-Faktor = 1.6
– MFT-Format: Crop-faktor = 2

Ein 50mm Normalobjektiv einer Vollformatkamera entspricht dann also in etwa einem 25mm Objektiv für MFT (Micro Four Thirds) (25 x 2) oder einem 30mm Objektiv für APSC (30 x 1.6).

Hier liegt auch ein generelles Manko von Handykameras, die allgemeinen mit einer effektiven Brennweite von rund 20-25mm, also einem starken Weitwinkel, ausgestattet sind und daher Aufnahmen liefern, die keine natürliche Perspektive aufweisen.